Literarischer Tag

Die Republik der Irren
Wenn der Wahnsinn politische Methode ist


Sankt Veit an der Flaum – der (mittlerweile ungebräuchliche) deutsche Name für Fiume/Rijeka nimmt sich aus heutiger Sicht fast schon wie der Scherz eines übermütigen Geographen aus. Bringt einen dieser altbackene Name zum Schmunzeln, so treibt einen die Geschichte der „Italienische Regentschaft am Quarnero“, die von September 1919 bis Weihnachten 1920 dauerte, in eine unendliche Staunstunde. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs stellte sich nämlich die Frage, was mit dieser plurikulturellen Stadt Fiume, in der neben Deutsch und Kroatisch auch noch Italienisch und Ungarisch gesprochen wurde, geschehen sollte. Sowohl Italien wie auch das sich formierende Jugoslawien erhoben territoriale Ansprüche. US-Präsident Woodrow Wilson versuchte in diesem Streit zu schlichten und präsentierte im August 1919 den Vorschlag, die Stadt als eigenen Staat unabhängig zu machen und als Sitz des Völkerbundes vorzusehen. Das wiederum passte den Streithähnen in Rom und Belgrad nicht ins Konzept, Friedenstruppen der Entente verschärften die Situation nur weiter, und Fiume drohte in Chaos und Anarchie zu versinken. Da besetzten 2.500 Freischärler unter der Führung des Exzentrikers und Dichters Gabriele D’Annunzio am 12. September 1919 die Stadt und riefen einen eigenen proitalienischen Staat aus, eben die „Reggenza Italiana del Carnaro“. Absurde Militärparaden, Kriegsverherrlichung und die Fiumekrone als Währung mischten sich mit freier Liebe, hemmungslosen Drogenexperimenten und Nudistenkultur. Man sprach gar von der „Kommune der Faschisten“. Zu Weihnachten 1920 machten dann italienische Truppen dem bizarren Spektakel ein blutiges Ende. „Die Republik der Irren“ folgt einer der vielen bekloppten Ideen, die man in jenen 15 Monaten umzusetzen versuchte. Schon 10 Jahre früher fragte sich der futuristische Schriftsteller Filippo Tommaso Marinetti, ob es möglich sei, mit „Verrückten aller Länder“ einen neuen Typus Staat zu gründen. In Fiume sollte dieses Experiment endlich umgesetzt werden, und so wurden Briefe an psychiatrische Kliniken in Italien gesandt mit der Bitte, doch ihre „harmlosen Irren“ nach Fiume zu senden… 

Der Autor Dirk Stermann (geb. 1965 in Duisburg) zog 1987 zum Studium der Theaterwissenschaften und Geschichte nach Wien, brach dieses jedoch ab, nachdem er schon ein Jahr später eine Stelle beim ORF antreten konnte. Seit 1990 hat er mit seinem kongenialen Partner Christoph Grissemann unzählige satirisch-kabarettistische Formate umgesetzt, u.a. sind die beiden die Gastgeber der seit 2007 vom ORF ausgestrahlten Late-Night-Show „Willkommen Österreich“. Nach mehreren satirischen Buchprojekten veröffentlichte er 2010 „Sechs Österreicher unter den ersten fünf. Roman einer Entpiefkenisierung“. Sein 2019 erschienener Roman „Der Hammer“ war sein erstes Werk, in dem er sich mit einem historischen Thema auseinandersetzte. 

Das Buch sollte zuvor gelesen werden. 
Dirk Stermann: Die Republik der Irren. Hamburg: Rowohlt 2025. 302 Seiten. ISBN 978-3-498-00745-4. EUR 25,00


1 Tag, 27.06.2026
Samstag, 09:30 - 13:30 Uhr
1 Termin(e)
Sa 27.06.2026 09:30 - 13:30 Uhr Kreishaus, Landhausstraße 4, 72250 Freudenstadt, Raum: R 4, E 1
Dr. Peter Mario Kreuter
21025FD
Gebühr: 25,00 € (nicht rabattierbar)

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